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Verkehrte Welt: von der trauten Ferne in die fremde Heimat

Der Kulturschock ist längst zu einem weitbekannten Phänomen geworden. Dieses «Sich-Fremd-Fühlen» im Ausland gehört für viele sogar einfach zum Auswandern, Reisen oder Globetrotten dazu. Schliesslich begibt man sich ja in eine unvertraute Welt, in der man vielleicht noch niemanden kennt, die Sprache nicht versteht und die Kultur unergründlich findet. Geht man für längere Zeit ins Ausland, tut man dies daher üblicherweise in der Erwartung (oder Befürchtung), eben auch einen solchen Kulturschock zu erleiden. Nicht alle ereilt dieses Schicksal dann zwar wirklich, aber falls doch, so kann diese Erwartungshaltung eine aus dem Anpassungsschock resultierende Belastung zumindest lindern.

Was allerdings viele nicht auf dem Schirm haben: auch bei der Rückkehr in die Schweiz kann man einem Kulturschock anheimfallen. Und da nicht damit gerechnet wird, schlägt dieser gerne umso heftiger aufs Gemüt. Tatsächlich gelangen immer wieder Schweizer/innen an uns, die uns von ihren Mühen bei der Reintegration in der Schweiz berichten. Dabei handelt es sich um die unterschiedlichsten Menschen, seien dies rückgewanderte Auslandschweizer/innen, Weltreisende oder Austauschstudent/innen. Unabhängig vom Alter, dem Beruf oder dem ehemaligen Aufenthaltsland – sie alle vereint dieses Gefühl der Fremdheit in der Schweiz nach ihrer Rückkehr, das sie hier zuvor nie empfanden. Sie alle erleben einen «umgekehrten Kulturschock» (oder auf Englisch reverse culture shock).

 

Kulturschock, mehr als nur ein Gefühl

Umgangssprachlich verbinden wir mit «Kulturschock» häufig bloss ein diffuses Gefühl der Fremde. Das ist natürlich auch nicht falsch – tatsächlich verbirgt sich hinter dem Begriff aber ein psychologisches Phänomen, das sogar Gegenstand zahlreicher wissenschaftlicher Untersuchungen ist und Konsequenzen für unsere Psyche haben kann.

Ganz allgemein handelt es sich demnach beim Kulturschock um einen schockartigen Gefühlszustand, den Menschen durchleben können, wenn sie von ihrer angestammten Umgebung in eine andere wechseln. Der Kulturschock ist dabei eigentlich der Preis, den wir für unsere Anpassungsfähigkeit zahlen müssen: wenn wir für längere Zeit von der Heimat fort sind, gewöhnen wir uns an die neue Umgebung, sprich an die Kultur des Auswanderungslands. Kehren wir nun in die Schweiz – also unsere ursprüngliche Heimat – zurück, fühlt sich dies ironischerweise wie die neue Fremde an. Verstärkend kann hinzukommen, dass das Leben in der Schweiz während unserer Abwesenheit nicht stehen geblieben ist. So haben beispielsweise altbekannte Freund/innen eine Familie gegründet, die alte Firma wurde umstrukturiert oder zuvor selbstverständliche Dinge des Alltags wie das gemütliche Café um die Ecke oder die PTT existieren nicht mehr. Solche Änderungen erschweren eingangs die Anknüpfung und Orientierung. Wir können nicht einfach unser altes Leben wieder aufnehmen, das wir bei der Auswanderung zurückgelassen haben.

Mit anderen Worten: Wir müssen uns zuerst wieder an das eigentlich Altbekannte gewöhnen und uns anpassen, genau wie wir dies im ehemaligen Auswanderungsland anfangs vollziehen mussten. Genau im Zuge dieses Prozesses kann es zu psychischen Reaktionen kommen.

 

Wenn die Heimat nervt

In den meisten Fällen äussert sich der Kulturschock dergestalt, dass die Sitten und Bräuche in der neuen alten Umgebung uns einfach wahnsinnig auf die Nerven gehen. Nach dem, was uns bei der Soliswiss erzählt wird, stören sich Rückgekehrte dabei oftmals an den scheinbar strikten Regeln, der Reserviertheit der Schweizer/innen oder einer empfundenen Enge. Manche berichten uns auch davon, dass sie sich schlicht verloren, verwirrt und desorientiert fühlen.

Allerdings kann es in gewissen Fällen auch zu körperlichen Reaktionen kommen, z.B. Kopfschmerzen oder Müdigkeit. Manche verspüren gar eine gewisse Appetit- und Lustlosigkeit. Solche Reaktionen können insbesondere im Zusammenspiel mit weiteren Stressfaktoren auftreten, zum Beispiel wenn es mit der Stellensuche nicht klappt, der Partner oder die Partnerin vom Umfeld nicht gut aufgenommen wird oder eine Beziehung die Rückkehr nicht übersteht. Das Spektrum dieser physischen Manifestationen des Kulturschocks ist sehr breit und äusserst individuell. Wie häufig diese auftreten, scheint ebenfalls noch ungeklärt. Sicher ist hingegen, dass davon bei Weitem nicht alle betroffen sind.

All diese Reaktionen sind jedenfalls bis zu einem gewissen Grade normal. Sie sind quasi die Zeugen unseres Anpassungsprozesses, unserer Wiedereingewöhnung – so unangenehm sie auch sein mögen. Gleichzeitig sollten diese Reaktionen auch nicht auf die leichte Schulter genommen werden: Untersuchungen zeigen, dass wir in solchen Zeiten anfälliger für psychische Erkrankungen sind. Wenn Sie sich also schlecht fühlen, und insbesondere wenn dieser Zustand über längere Zeit andauert, sollten Sie eventuell professionelle Hilfe in Anspruch nehmen.

Positiv bleiben! Auch einen Kulturschock können Sie überwinden. | Bild: Shaurya Sagar @ unsplash.com

 

Was kann helfen?

Ein veritabler Kulturschock kann ganz schön übel sein. Aber es gibt ein paar Strategien, um seine Folgen abzumildern.

Oftmals ist die Rückwanderung sehr hektisch: das Haus muss verkauft werden, die Container müssen präpariert werden und die eigentliche Reise will auch organisiert sein. In diesem Stress geht oft die mentale Vorbereitung auf die bevorstehende Veränderung vergessen. Es kann sich aber durchaus lohnen, einen Augenblick innezuhalten und sich noch einmal vor Augen zu führen, was gerade geschieht und was auf Sie in den nächsten Tagen und Wochen zukommt. Dabei kann es auch hilfreich sein, sich kurz zu vergegenwärtigen, dass in der Schweiz womöglich nicht das alte Leben, dafür aber ein Kulturschock auf Sie warten könnte.

Einmal zurück in der Schweiz, kann es ebenfalls wertvoll sein, sich wiederum einfach ein bisschen Zeit zur Eingewöhnung zu nehmen. Es ist normal, sich anfangs ein wenig fremd und verloren vorzukommen. Wichtig ist, sich nicht zu verschliessen, sondern positiv zu bleiben. Dabei kann es auch schon helfen, sich an den kleinen Dingen zu erfreuen, wie zum Beispiel dem feinen Schweizer Brot, das Sie so lange nicht mehr geniessen konnten.

Auch sozial wieder Fuss zu fassen ist ein zentraler Schritt, um wieder in der Schweiz «anzukommen».  Daher sollten Sie sich möglichst aktiv an lokalen Ereignissen und Aktivitäten beteiligen. Die Schweiz als Land der Vereine bietet da für jeden Geschmack etwas – ganz sicher finden auch Sie einen Club für Ihr Hobby, sodass Sie leicht Gleichgesinnte treffen und vielleicht die ein oder andere Freundschaft schliessen können. Es gibt überdies auch ein ausgeprägtes internationales Leben in der Schweiz, das Ihnen vor Ihrer Auswanderung vielleicht verborgen geblieben war. Wagen Sie es, die Schweiz neu zu entdecken, gerade wenn Sie mit einer ausländischen Partnerin bzw. einem ausländischen Partner zurückkehren.

Schliesslich bieten Ihnen diese digitalen Zeiten unzählige Möglichkeiten, sich mit Leidensgenoss/innen zu vernetzen. Auf unterschiedlichen Plattformen sprechen rückgekehrte Auslandschweizer/innen über ihre Erfahrungen und Erinnerungen. Schauen Sie beispielsweise auf swisscommunity.org vorbei und machen Sie eventuell sogar selbst mit – dadurch werden Sie feststellen, dass Sie mit Ihren Gefühlen nicht alleine sind und können zudem von den Tipps anderer profitieren, die das Gleiche schon durchgemacht haben.

Am wichtigsten ist aber sicherlich: positiv bleiben! Auch ein «umgekehrter Kulturschock» kann überwunden werden und der Auftakt zu einem neu gewonnenen Heimatgefühl sein.

 

Erzählen Sie uns von Ihren Erfahrungen!

Haben auch Sie nach der Rückkehr in die Schweiz schon einmal einen Kulturschock erlebt? Wenn ja, wie hat sich dies bei Ihnen geäussert? Was hat Ihnen am meisten geholfen, um diesen Zustand zu überwinden?

Teilen Sie Ihre Geschichte mit der Soliswiss-Community und schreiben Sie einen Kommentar unter diesen Artikel oder eine Mail an forum@soliswiss.ch – wir freuen uns auf Ihren Input!

 

 

 

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