Es ist eine Binsenweisheit: es kann immer wieder Unvorhergesehenes eintreffen, dass das Leben aus seinen gewohnten Bahnen schleudert. Gerade in Zeiten wie diesen, in denen die Welt geprägt scheint von politischen Unruhen, Naturkatastrophen und natürlich der Pandemie. Solche Ereignisse können dabei eine existenzielle Bedrohung auch und gerade für ausgewanderte Schweizerinnen und Schweizer darstellen: die Arbeit geht verloren, ruinöse Gesundheitskosten fallen an oder das eigene Haus wird zerstört. In anderen Fällen ist aber auch schlicht die Finanzplanung für die Auswanderung nicht aufgegangen, sodass das Budget nicht mehr ausreicht.
Eine besondere Art der Sozialhilfe
Wenn solche finanziellen Engpässe auftreten, welche Auslandschweizer/innen in Ihrer Existenz bedrohen, können unter Umständen auch im Ausland lebende Schweizer/innen Sozialhilfe aus der Schweiz beziehen.
Zahlreichen Auslandschweizer/innen konnte mit dieser Sozialhilfe bereits überbrückend geholfen werden. So machten im Jahr 2019 insgesamt 284 Auslandschweizer/innen von dieser Möglichkeit Gebrauch, wobei sich der ausbezahlte Betrag auf 788’804 Franken belief. Die meisten der Bezüger/innen leben in Thailand, den Philippinen, den USA und allgemein in Südamerika.
Mit diesem System steht die Schweiz übrigens weltweit relativ alleine da: es ist nicht selbstverständlich, dass ausgewanderte Bürger/innen von ihrem Heimatstaat Unterstützungsleistungen erhalten können. Die Bedingungen zum Erhalt solcher Fürsorgeleistungen sind jedoch nicht ganz einfach zu erfüllen.
Um gleich ein paar Missverständnisse aus dem Weg zu räumen: Es handelt sich hierbei um eine spezielle Art der Sozialhilfe, die nicht mit ihrer für Inlandschweizer/innen gewährten Schwester gleichgestellt werden kann. So ist die Sozialhilfe für Auslandschweizer/innen im Gegensatz zur Sozialhilfe für Inlandschweizer/innen zeitlich begrenzt; sie ist in diesem Sinne auch eher zur Überbrückung von Notsituationen gedacht. Sie kann zudem verweigert werden und muss grundsätzlich zurückbezahlt werden. Überdies wird die Höhe der Beiträge an die Lebenshaltungskosten des Auswanderungslands angepasst – sie erhalten somit mitunter signifikant weniger als Inlandschweizer/innen.
Ziel dieser finanziellen Unterstützung ist es jedenfalls, eine einfache, menschenwürdige Existenz im Auswanderungsland zu ermöglichen oder die wirtschaftliche Selbstständigkeit aufrechtzuerhalten bzw. wiederherzustellen, sofern die betroffenen Auslandschweizer/innen dies aus eigener Kraft nicht (mehr) zu bewerkstelligen vermögen. In gewissen Fällen beschränkt sich die Leistung aber auch auf eine simple Rückkehrhilfe in die Schweiz. Zuständig für diese Entscheide sind nicht wie für Inlandschweizer/innen die Kantone, sondern die Sektion Sozialhilfe für Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer (SAS) des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA).
Aber Achtung: wenn Sie bereits in die Schweiz rückgewandert sind oder sich dort zurzeit vorübergehend aufhalten, so müssen Sie sich an Ihre Wohn- bzw. Aufenthaltsgemeinde für allfällige Sozialhilfebezüge wenden.
Welche Bedingungen müssen erfüllt werden?
Wer wann welche finanzielle Unterstützung erhalten kann, ist im Auslandschweizergesetz (ASG) und in der Auslandschweizerverordnung (V-ASG) geregelt. Demnach müssen Auslandschweizer/innen…
· …in existenzbedrohende Schwierigkeiten geraten sein, d.h. ihren Lebensunterhalt selbst nicht mehr hinreichend finanzieren können
· …die eigenen Mittel ausgeschöpft haben; das heisst nota bene auch, dass sie ihr Vermögen bis zu einem gewissen Freibetrag für den Lebensunterhalt bereits verwendet haben müssen
· …Verwandte, Bekannte oder sonstige Private (dazu gehören auch Versicherungen) angefragt haben, ohne dass diese hätten helfen können
· …selbst mit allfälligen Hilfeleistungen des Auswanderungslandes nicht über die Runde kommen können
· …im Auslandschweizerregister eingetragen sein
Die Auflistung dieser Kriterien zeigt: Der Sozialhilfe für Auslandschweizer/innen wohnen die Prinzipien der Subsidiarität und der Eigenverantwortung inne. Das heisst mit anderen Worten, dass sie grundsätzlich erst in Frage kommt, wenn bereits alle anderen zumutbaren Möglichkeiten zur eigenständigen Auflösung der Notlage geprüft und ausgeschöpft wurden.
Die Frage nach der Erfüllung dieser Bedingungen wird von der SAS in Zusammenarbeit mit der zuständigen Schweizer Vertretung jeweils von Fall zu Fall geprüft. Ob und welche Art der finanziellen Unterstützung gewährt wird, hängt dabei von Ihrer persönlichen Situation sowie der Lage im Auswanderungsstaat ab.
Sonderfall: Mehrfache Staatsangehörigkeit
Besitzen Sie nebst der Schweizer eine weitere Staatsangehörigkeit, gelten besondere Regeln. Sie können zwar ebenfalls ein Gesuch einreichen, werden in der Regel jedoch nicht unterstützt, wenn bei Ihnen die ausländische Staatsangehörigkeit «vorherrscht». Salopp ausgedrückt wird hier also die Frage der Identität gestellt: sind Sie eher Schweizer/in oder doch eher bspw. Italiener/in?
Welche Staatsangehörigkeit bei Ihnen gemäss Art. 25 ASG vorherrscht, wird gestützt auf Art. 16 V-ASG anhand diverser Kriterien beurteilt. Zentral sind dabei unter anderem die Fragen, unter welchen Umständen Sie eine allfällige ausländische Staatsangehörigkeit erworben haben, wo Sie Ihre Kindheit und Ausbildungszeit verbracht haben, wie lange Sie schon in Ihrem Auswanderungsland leben und welche Beziehungen Sie allgemein zur Schweiz unterhalten.
Wenn die SAS zum Schluss kommt, dass die Schweizer Staatsangehörigkeit vorherrscht und zudem Anspruch auf Sozialhilfe besteht, wird alle drei Jahre überprüft, ob dies nach wie vor zutrifft. Ist dem nicht so, kann die Hilfe eingestellt werden.
In gewissen Ausnahmefällen kann übrigens auch für Auslandschweizer/innen ohne vorherrschende Schweizer Staatsangehörigkeit Sozialhilfe gesprochen werden. Dies ist beispielsweise für minderjährige Kinder von Auslandschweizer/innen der Fall, solange bei diesen Eltern die Schweizer Staatsangehörigkeit vorherrscht. Weitere Ausnahmefälle können in den entsprechenden Weisungen unter Punkt 1.3.3 (Stand: 09.09.2020) nachgelesen werden.
Welche Unterstützungsmöglichkeiten gibt es?
Bei der Sozialhilfe für Auslandschweizer/innen kann es sich um einmalige oder wiederkehrende Zahlungen handeln, je nachdem, wie sich die individuelle Lage der gesuchstellenden Person gestaltet. Dabei müssen erneut zahlreiche Bedingungen erfüllt werden, die sich unter anderem auf Ihre finanzielle Situation sowie die Rechtfertigung des Verbleibs im Auswanderungsland betreffen.
Die wiederkehrende finanzielle Unterstützung ist indes nicht dauernd, wie sie es in der Schweiz ist. Es handelt sich eher um eine Art Nothilfe, die Ihnen zur Überbrückung in schwierigen Zeiten dienen soll – und zwar bis sie mit einer ausreichend grossen Wahrscheinlichkeit in absehbarer Zeit wieder wirtschaftlich selbstständig sein können. Die Sozialhilfe kann zudem mit Auflagen und Bedingungen gewährt werden, wobei bei Zuwiderhandlungen die Hilfe gekürzt oder gestrichen werden kann.
Sie können allerdings nicht davon ausgehen, dass Sie in jedem Fall im Ausland Sozialhilfe erhalten, selbst wenn Sie die oben genannten Kriterien erfüllen. Wenn eine Rückkehr in die Schweiz von der SAS als zumutbar eingestuft wird, kann sich die Sozialhilfe auch auf die reine Unterstützung für die Rückwanderung beschränken. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn Sie noch nicht lange in Ihrem Auswanderungsland gelebt haben, Sie dort keine Familie oder ähnliches hält oder die Aussicht auf ein regelmässiges Einkommen gering ist.
Wie kann die Sozialhilfe beantragt werden?
Wenn Sie ein Gesuch für Sozialhilfe stellen wollen, müssen Sie ein Formular ausfüllen. Dabei werden allerlei Informationen erfragt – auch und gerade über ihre finanzielle Lage (Einkommen, Vermögen). Dem Gesuch muss unter anderem auch ein Budget beigelegt werden, welches als Berechnungsgrundlage für die Ihnen allenfalls zustehende Unterstützung dient. Sollten Ihre Angaben falsch oder unvollständig sein oder Sie sich gar weigern, gewisse Informationen preiszugeben, kann Ihr Gesuch abgelehnt werden.
Um Ihren Fall prüfen zu lassen, müssen Sie sich an die für Ihr Wohnland zuständige Schweizer Vertretung wenden – dabei kann es sich um eine Botschaft, ein Generalkonsulat oder ein Konsulat handeln. Dort können Sie sich beraten lassen und Ihr Gesuch einreichen. Die Vertretung wird dieses dann einer ersten Prüfung unterziehen, ergänzen und an die SAS weiterleiten. Diese trifft letztlich den Entscheid.
Eine Übersicht über die Vertretungen der Schweiz finden Sie hier. Eine Ausnahme stellt übrigens Frankreich dar: dort lebende Auslandschweizer/innen müssen sich an die jeweils zuständigen französischen Sozialhilfestellen wenden.
Sollte Ihr Gesuch abgelehnt werden, können Sie dagegen beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde einreichen und den Fall allenfalls bis ans Bundesgericht weiterziehen.
In unserem Blog finden Sie zudem einen interessanten Artikel zum Thema Corona: diese finanzielle Hilfe gibt es für AuslandschweizerInnen.
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