Ein globaler Trend Auf der ganzen Welt nimmt die Zahl der Menschen mit zwei oder mehr Staatsbürgerschaften seit Jahren zu. Dieser Anstieg ist auf unterschiedliche Faktoren zurückzuführen: Einerseits arbeiten und leben die Menschen im Zuge der Globalisierung zunehmend jenseits der Grenzen ihres Geburtslands. Andererseits haben soziale Toleranz und Akzeptanz gegenüber Menschen mit mehr als nur einem Pass in vielen Ländern zugenommen. Damit einher gehen schliesslich vielerorts auch Anpassungen des rechtlichen Rahmens zur Zulassung der Mehrfachstaatsbürgerschaft. Einen zweiten Pass annehmen zu können war nicht immer möglich. Als Pionierin trat in diesem Bereich die Schweiz hervor: bereits seit einer 1992 in Kraft getretenen Revision des Bürgerrechtsgesetzes akzeptiert die Eidgenossenschaft Doppelbürgerschaften – im internationalen Vergleich ist das relativ früh. Konkret bedeutet das unter anderem, dass Schweizer/innen nach der Auswanderung eine zweite Staatsbürgerschaft annehmen können, ohne dass sie ihre Schweizer Staatsbürgershaft aufgeben müssten. Dies hängt jedoch natürlich auch von der jeweiligen Gesetzgebung des Auswanderungslandes ab – denn entgegen des beschriebenen Trends gibt es nach wie vor auch zahlreiche Staaten, die die Doppelbürgerschaft nicht zulassen. In solchen Fällen müsste der Schweizer Pass abgegeben werden. Mehrfachstaatsangehörigkeit als Normalfall bei Auslandschweizer/innen Heute besitzen rund 75% der über 770’000 Auslandschweizer/innen nebst ihrer Schweizer noch mindestens eine andere Staatsangehörigkeit. Das sind immerhin ca. 570’000 Menschen. Diese stolze Zahl ist ein Abbild des allgemein sehr starken Wachstums der Auslandschweizergemeinde. Hierbei gilt es jedoch zwischen zwei Kategorien an Auslandschweizer/innen mit Mehrfachstaatsangehörigkeit zu unterscheiden: zum einen sind da die Schweizerinnen und Schweizer, die sich nach ihrer Auswanderung im Zielland einbürgern lassen und so eine weitere Staatsbürgerschaft erwerben. Zum anderen gibt es aber natürlich auch die Kinder von ausgewanderten Schweizer/innen, die im Ausland geboren werden. Sie «erben» ohne grössere Einschränkungen die Schweizer Staatsbürgerschaft von ihrem Schweizer Elternteil – das ist das Prinzip des sog. «ius sanguinis», also das «Recht des Blutes». Der Gegenentwurf dazu ist übrigens das «ius solis» (Recht des Bodens), wonach die Staatsbürgerschaft entsprechend dem Geburtsort vergeben wird – so wie es bspw. in den USA, Kanada oder Brasilien der Fall ist. Die Schweiz kennt dieses Geburtsortprinzip hingegen nicht. Ob aktiv erworben oder passiv geerbt, die Menge an Auslandschweizer/innen mit Mehrfachstaatsangehörigkeit ist beträchtlich. Besonders viele Schweizer Doppelbürger/innen gibt es dabei in Frankreich (über 80% der dort lebenden Auslandschweizer/innen), Italien (fast 90%) oder Argentinien (fast 95%). Dieser Anteil ist aber von Land zu Land unterschiedlich und kann auch deutlich tiefer ausfallen. Dies hängt erneut von der Gesetzgebung des Wohnsitzstaates ab. In Thailand zum Beispiel haben nur rund 40% die Doppelbürgerschaft. Das dürfte auch daran liegen, dass dieses Land erst seit Kurzem (im Vergleich zu den klassischen Auswanderungsländern Deutschland, Frankreich, Italien, USA) bei auswanderungswilligen Schweizer/innen beliebt ist und daher dort verhältnismässig wenige Auslandschweizer/innen der zweiten oder dritten Generation leben. Vorteile der Mehrfachstaatsbürgerschaft Ein wichtiger Grund, als Auswanderer/in eine zusätzliche Staatsbürgerschaft anzunehmen, betrifft die damit gewonnenen Rechte. Diese schliessen klassischerweise die politischen Rechte (sprich das Wahl- und Stimmrecht) ein, sodass man als Teil der Gesellschaft auch aktiv bei der Zukunftsgestaltung seiner neuen Heimat mitreden kann. Und dank der Doppelbürgerschaft wird diese Möglichkeit auch weiterhin mit Bezug auf die Schweiz erlaubt, was das Zugehörigkeitsgefühl und die Verbundenheit mit der alten Heimat stärkt. Dass die Abstimmungs- und Wahlunterlagen viele Auslandschweizer/innen zu spät oder gar nicht erreichen, ist daher doppelt ärgerlich. Darüber hinaus gehen mit der Staatsbürgerschaft die uneingeschränkten Einreise-, Aufenthalts- Arbeitsrechte einher. Mit anderen Worten: die oftmals lästige Visa-Thematik erledigt sich damit ein für alle Mal. Dies kann gerade in restriktiven Staaten eine grosse Erleichterung darstellen – so manche ausgewanderte Schweizerin bzw. ausgewanderter Schweizer dürfte bestätigen können, wie belastend die Ungewissheit einer Visumsverlängerung oder -erneuerung sein und aufs Gemüt schlagen kann. Und auch hier erleichtert die Doppelbürgerschaft, also das Beibehalten des Schweizer Passes, natürlich auch die problemlose Rückkehr oder Rückwanderung in die Schweiz. Wie wichtig dies sein kann, haben wir gerade im Kontext der Corona-Krise gesehen. Ein weiterer wichtiger Vorteil ist, dass mit Erwerb der Staatsbürgerschaft des Auswanderungslandes oftmals ein Gefühl des «Ankommens» und des «Dazugehörens» verbunden wird. Nach der anstrengenden Übersiedlung, der eventuell schwierigen Anpassung und Eingewöhnung in der fremden Kultur sowie den Schikanen der Einwanderungsbehörden ist man damit endlich im neuen Leben angekommen. Für viele bedeutet dies ein völlig neues Lebensgefühl. Potenzielle Nachteile nicht vergessen Allerdings kann die Doppel- oder Mehrfachbürgerschaft auch gewisse Nachteile und Risiken bergen. So kann es beispielsweise zu Problemen steuerrechtlicher Natur kommen, denn gewisse Staaten verlangen auch von im Ausland lebenden Bürger/innen Steuern – und zwar egal, ob diese nebst der eigenen noch eine andere Staatsbürgerschaft haben. Bekannt dafür sind natürlich insbesondere die USA, welche Auslandsamerikaner/innen auf der ganzen Welt besteuern, selbst wenn diese nie in den USA lebten, arbeiteten oder weilten. Auch Eritrea treibt bei seinen ausgewanderten Staatsangehörigen Steuern ein – wer nicht zahlt, wird bei der Botschaft bzw. dem Konsulat in der Regel der Service verweigert. Das kann vor allem auch für rückgewanderte Auslandschweizer/innen mit Doppelpass relevant sein. Für Schweizer/innen mit Mehrfachstaatsbürgerschaft gibt es überdies gewisse Nachteile in Bezug auf den Anspruch, den sie gegenüber dem Schweizer Staat geltend machen können. Dies betrifft beispielsweise die Sozialhilfe im Ausland: diese ist grundsätzlich nicht für sie möglich, sofern das EDA zum Schluss kommt, dass bei ihnen die andere Staatsbürgerschaft vorherrscht (vgl. Art. 25 ASG). Auch Schutzbriefe erteilt das EDA grundsätzlich nicht an Schweizer/innen mit Mehrfachstaatsangehörigkeit (vgl. Art. 59 Abs. 2 V-ASG). Ein weiteres, je nach betrachtetem Land nicht zu unterschätzendes Risiko betrifft ausserdem die möglichen Hilfestellungen im Zusammenhang mit dem konsularischen Schutz. So haben zwar auch Schweizer/innen mit Mehrfachstaatsbürgerschaft grundsätzlich Anspruch auf denselben konsularischen Schutz wie jene mit «Einfachstaatsbürgerschaft», aber nur wenn das Land der anderen Staatsbürgerschaft noch nichts unternommen hat (vgl. Art. 39 Abs. 2 ASG). Gerät also beispielsweise eine Deutsch-Schweizerin in Finnland in politische Schwierigkeiten, so wird die Schweiz erst eingreifen, wenn Deutschland nichts unternimmt. Die beiden Länder sprechen sich aber in solchen Fällen üblicherweise ab. Komplizierter wird es hingegen, wenn eine Schweizer Person mit Mehrfachstaatsbürgerschaft in einem Land in Schwierigkeiten gerät, dessen Staatsgenhörige sie ist – zum Beispiel eine italienisch-schweizerische Doppelbürgerin mit politischen Problemen in Italien. Hier kann die Schweiz in Bezug auf den konsularischen Schutz grundsätzlich nichts direkt unternehmen, es sei denn Italien würde sich dem nicht widersetzen (vgl. Art. 39 Abs. 3 ASG). Diese sogenannte «Ausschlussregel» kann insbesondere in politisch instabilen oder autoritären Staaten ein gewichtiges Risiko darstellen. Die Annahme einer weiteren Staatsbürgerschaft als Auslandschweizer/in hat Vor-, aber auch Nachteile. Haben auch Sie sich entschieden, sich in Ihrem Auswanderungslang einzubürgern? Was hat Sie dazu oder dagegen bewogen? Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?